Kann man auf Edrums genauso spielen wie auf Naturdrums
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Auch hier muss man mit einem klaren Jein antworten. Auf den ersten und zweiten Blick mögen viele keine Unterschiede zwischen dem Spiel auf Edrums und dem Spiel auf Naturdrums ausmachen können, doch es bestehen tatsächlich viele große Unterschiede in kleinen aber feinen Details. Die Sensorik an einem Edrumpad zeichnet bestenfalls die Informationen über Anschlagstärke und Anschlagposition auf. Bei einer richtigen Trommel sind aber noch wesentlich mehr Einflussgrößen mit im Spiel. Haben Sie schon mal gehört welch mannigfaltige Klänge ein wirklich guter Trommler aus einer einzelnen Snare zaubern kann?
Beispiel Snare
Viele Laien nehmen an, dass eine Trommel wie die Snare nur einen einzigen Klang hat, den man lediglich in der Lautstärke durch entsprechende Anschlagsstärke verändern kann. Doch in einer Snare steckt viel viel mehr als so mancher ahnen mag. Das ganze beginnt damit, dass sich der Klang einer Snare verändert, je nachdem ob man sie in der Mitte des Schlagfells anspielt oder weiter außen. Außerdem klingt eine Snare mal abgesehen von der Lautstärke ganz anders, wenn diese stark angeschlagen wird, als wenn sie nur leicht angeschlagen wird. Bei einem „Rimshot“ oder einem „Rimclick“ wird der Rand der Trommel beim Anschlagen miteinbezogen. Auch hier entstehen ganz neue Klänge. Kleine Variationen der Klangfarbe entstehen natürlich auch durch die Wahl des Trommelstockes bzw. dessen Material und dessen Geometrie. Neben diesen typischen Einflussgrößen gibt es noch eine ganze Palette von spezielleren Spielweisen, mit der sich aus einer Snare eine Fülle neuer Klänge entlocken lassen. Beispielsweise muss man die Snare ja nicht zwangsläufig auf dem Schlagfell anschlagen, sondern kann auf von unten auf das Resonanzfell hauen oder aber mit dem Trommelstock über Teppich der Snare ratschen. Häufig wird auch mit dem einen Trommelstock auf den anderen geschlagen oder aber irgendwo auf den Kessel der Trommel geschlagen. Natürlich eröffnet auch das Spiel mit Besen, Ruten oder Mallets eine Flut neuer Möglichkeiten.
Eines ist klar: Sicherlich kann man bei einem Edrum den Klang der Snare beliebig anpassen, verzerren, verstimmen, ihn mit anderen Klängen überlagern, unterschiedliche Klänge unterschiedlichen Anschlagstärken zuordnen und vieles mehr. Hier gibt es sicherlich ein riesiges, wenn nicht sogar schier unerschöpfliches musikalisches Potential. Doch es ging hier ja um die Frage, ob man auf einem Edrum GENAUSO spielen kann, wie auf einem Naturschlagzeug und da muss die Antwort in Punkto Snare ganz klar nein lauten, wenn man die vielen vielen Möglichkeiten beim Anschlagen einer natürlichen Snare bedenkt. Doch eines ist ganz genauso klar: Wenn die Snare in einem einfachen Musikstück immer nur auf zwei und vier gedroschen wird, kann die elektronische Snare des Edrums gut mithalten.
Beispiel Becken
Noch vor wenigen Jahren standen elektronische Becken überhaupt nicht zur Diskussion, weil offensichtlich war, dass man das natürliche Pendant einfach nicht ausreichend gut elektronisch nachbilden kann. Das ist heute anders. Elektronische Becken haben ein Level erreicht, das sich durchaus sehen lassen kann. Doch auch hier gibt es immer noch enorme Unterschiede. Die Sensorik heutiger Becken ermöglicht die Detektion der Anschlagstärke, der Anschlagposition und ermöglicht zudem ein Abstoppen des Beckenklanges. Doch es steht mit natürlichen Becken ähnlich wie mit der natürlichen Snare. Es gibt eine Fülle von Klängen, die man erzeugen kann, die so nicht mit einer elektrischen Nachbildung erreicht werden können. Die Art und Weise wie man mit dem Trommelstock das Becken anschlägt, kann recht unterschiedliche Klänge hervorrufen. Wird die Beckenkuppe beispielsweise nur mit der Stockkuppe angeschlagen, so ergibt sich ein heller klarer „Ping“. Ebenso kann man die Kuppe aber auch mit der Stockkante anschlagen. Dabei ergibt sich ein tieferer, aber druckvollerer „Ping“. Becken kann man seitlich anschlagen, mit herumgedrehtem Stock, mit Besen, Ruten oder Mallets. Man kann am Becken ein Plättchen oder ein Kette befestigen, die ein nachklingenendes „Sizzeln“ erzeugt. Kurz um, die Soundpalette an einem natürlichen Becken kann beim Spiel auf einem elektronischen Becken an einem Edrum nicht eins zu eins umgesetzt werden.
Erfahrungen aus der Praxis
Neben den mehr oder weniger offensichtlichen Unterschieden, die oben angesprochen wurden, gibt es auch einige Unterschiede in der Spielweise, die einem meist erst dann aufallen, wenn man mit dem Edrum tatsächlich versucht, extakt das nachzubilden, was zuvor mit einem Naturschlagzeug gespielt wurde.
Ein Kandidat, der einen an einem Edrum immer wieder ins Schwitzen bringen kann, ist beispielsweise der Rimclick. Mittlerweile bieten viele Steuerteile die Möglichkeit Rimclicks mit so genannten "Cross-Sticks" zu erzeugen. Tatsächlich funktioniert diese Funktionalität zu circa 95%. Man könnte meinen, das sei ja schon mehr als ausreichend, doch in der Praxis erweist sich das als unzureichend. Im Steuerteil wird gewöhnlich einfach über einen Schwellwert entschieden, ob es sich bei dem jeweiligen Schlag um einen Rimshot oder einen Rimclick handelt. Das heißt aber de fakto, dass es durchaus passieren kann, dass ein Rimshotsound ausgelöst werden kann, obwohl man einen Rimclick spielen wollte. In der Praxis führt das dazu, dass man im Zweifelsfalle ein zusätzliches Pad anschließen muss, das mit dem Rimclicksound belegt wird. Nur damit stellt man zu 100% sicher, dass auf KEINEN Fall ein Rimshotsound ausgelöst wird, wenn man einen Rimclicksound haben will.
Die nächste Spielsituation, die einem relativ oft begegnet, ist das schnelle Anschlagen von Crash Becken, bei dem am Naturschlagzeug das typische Rauschen der Becken entsteht. Bei modernen Edrums werden schnelle Schläge auf ein Crash Becken zwar schon lange nicht mehr wie mit einem "Maschinengewehr" wiedergegeben, doch um ein wirklich gleichmäßiges Rauschen zu erzeugen, braucht man sehr viel Feingefühl. Hinderlich ist vor allem, wenn man dem Rand des Crashbeckens einen anderen Sound zugeordnet hat als der Spielfläche. Denn es kann schnell passieren, dass der ausgelöste Sound zwischen Rand- und Spielflächenklang umschaltet. Für ein gleichmäßiges Rauschen ist das absolut tödlich. Dasselbe gilt im Grunde für die Hihat. Eine moderene Edrum Hihat ermöglicht zwar Abstufungen zwischen einem "geschlossenen" und einem "offenen" Hihatsound, der beim normalen Spiel in der Regel ausreicht. In speziellen Spielsituationen können diese Abstufungen dennoch deutlich hörbar werden, wenn man dies denn nicht geschickt spielerisch umgeht.
Daneben gibt es sicherlich noch unzählige andere Spielsituationen, in denen man nicht einfach so auf dem Edrum spielen kann, wie man es vom Naturset her gewohnt ist. Darum muss die Devise lauten:
Schwächen überspielen
Beim Spiel auf einem Edrum sollte der Edrummer in der Lage sein, die bekannten Schwachstellen eines Edrums musikalisch sinnvoll zu überspielen beziehungsweise zu umgehen. Das ist grundsätzlich nicht unmöglich und tut der Sache im Grunde in den meisten Fällen auch keinen wirklichen Abbruch. In jedem Falle aber erfordert das Ganze eine gewisse Übung und praktische Erfahrung. Darum muss man dem ambitionierten und fortgeschrittenen Drummer eindeutig ins Gesicht sagen: "Richtig, auf einem Edrum musst Du etwas anders Spielen als auf einem Naturschlagzeug."
Fazit
Insbesondere im Bereich der Unterhaltungsmusik, wo die musikalischen Ansprüche im Allgemeinen nicht ganz so hoch sind (was die Qualität der Musik nicht zwangsläufig schmälern muss) werden Erdums schon seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt, weil man mit ihrer Hilfe ohne komplizierten Soundcheck einen guten Drumsound erreichen kann, wie man ihn von vielen CDs gewohnt ist. Beim Jazz hingegen, wo der Ausdrucksstärke und dem damit verbundenen variantenreichen Klang des Schlagzeugsspiels eine ganz andere Bedeutung zukommt, werden sich elektronische Schlagzeuge wohl nie durchsetzen. Wenn überhaupt, dann nur ergänzend.
Der gemeine Drummer wird sich irgendwo zwischen beiden Extremen eingruppieren müssen. Darum bleibt die Entscheidung pro oder contra Edrums letztlich einzig und allein an dem jeweiligen Individuum hängen. Die Empfehlung muss aber klar lauten: Je mehr U-Musik, desto besser eignen sich Edrums. Je mehr Jazz bzw. je mehr natürliche Ausdrucksstärke gefordert wird, desto schlechter empfehlen sich Edrums.